Vermögensverwalter raten von Anleihen ab


Die Zinsen werden wohl noch lange nahe null liegen. Auch 60 Jahre alte Anleger sollten daher mehr in Aktien investieren. Vermögensverwalter raten aber dazu, noch Geld dafür in der Hinterhand zu behalten.

ham. FRANKFURT, 2. Januar. Die rekordtiefen Zinsen zwingen zum Umdenken. Nicht nur junge, auch ältere Anleger sollten die eigentlich als risikoarm bekannten Anleihen in ihren Depots verringern - zugunsten anderer Wertpapierarten wie dividendenstarker Aktien. Dies ist die klare Botschaft einer Umfrage zum richtigen Anlagemix, die diese Zeitung seit elf Jahren unter Vermögensverwaltern durchführt. Die Frage, wie ein 30 Jahre alter und ein 60 Jahre alter Anleger sein Depot auf verschiedene Wertpapierldassen aufteilen sollten, beantworteten diesmal neun bankunabhängige Fachleute. Sie empfehlen zum Start ins Jahr 2015 so wenig Anleihen wie niemals zuvor. Von den sieben Vermögensverwaltern, die schon im vergangenen Jahr teilnahmen, verringerten fünf die Quote für Anleihen mit kurzer Laufzeit, keiner erhöhte sie.

Darüber hinaus ist auffällig: Nur die beiden erstmals teilnehmenden Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. sowie Sand und Schott thematisieren die Gefahr möglicher Kursverluste bei einer Zinswende im Euroraum. Dabei gilt die Faustformel: Je länger die Laufzeit der Anleihen, desto größer die Kursverluste bei steigenden Zinsen. Während Sand und Schott die Wahrscheinlichkeit von Zinssteigerungen aber als gering einschätzt, betont Albrecht, Kitta & Co. die Notwendigkeit des Laufzeitenmanagements. "Flexibilität im Anleihebereich bleibt Trumpf", sagt Carsten Riehemann, geschäftsführender Gesellschafter dieses Vermögensverwalters. Die meisten der anderen Vermögensverwalter rechnen zwar mit einer Zinswende in Amerika, aber mit noch lange unverändert tiefen Zinsen im Euroraum. Weil es mit Anleihen längerer Laufzeit noch etwas mehr Zins gibt als bei kurz laufenden Anleihen (hier droht Sparern für Tagesgeld sogar eine Gebühr auf ihrem Bankkonto), stockten einige Vermögensverwalter ihre Quoten für längerer laufenden etwas auf.

Die meisten aber halten vor allem Aktien in Zeiten des Niedrigzinses für alternativlos. Zur Erinrierung: 2014 lag die empfohlene Aktienquote für Dreißigjährige knapp unter 50 Prozent, im Jahr davor sogar nur bei 33 Prozent. Für dieses Jahr hat sich die Aktienquote nun nochmals erhöht. Demnach sollten 30 Jahre alte Anleger 58 Prozent ihres Geldes in Aktien stecken. Für acht von neun Vermögensverwaltern ist die Aktie für junge Menschen die wichtigste Anlageform. Alteren Menschen dagegen, etwa einem 60 Jahre alten Anleger mit geringerer Risikoneigung und kürzerem Anlagehorizont, empfahlen vier von sieben Vermögensverwaltern vor einem Jahr noch überwiegend Anleihen. Das hat sich geändert: Nur die traditionell stark auf Kapitalerhalt fixierte Vermögensverwaltung PSM in München setzt überwiegend auf Anleihen. Aber auch Seniorpartner J oachim Paul Schäfer sagt: "In den vor uns liegenden Jahren muss das eine oder andere überschaubare Risiko eingegangen werden, weil die Zinsen noch län-
ger im Bereich von null gehalten werden." Alle anderen acht Vermögensverwalter empfehlen ohnehin selbst 60 Jahre alten Anlegern Anleihequoten von höchstens 50 Prozent. Drei Experten haben ihre Aktienquoten aufgestockt, die von Georg Thilenius blieb auf dem schon vor einem Jahr überdurchschnittlichen Niveau von 70 Prozent. "Der Sechzigjährige kann sich eine schleichende Entwertung seines Vermögens noch weniger leisten als der Dreißig-jährige. Für ihn bringt die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren nicht eine risikolose Rendite wie in der Kapitalmarkttheorie, sondern ein renditeloses Risiko", sagt Thilenius. Deshalb seien die 20 Prozent Unternehmensanleihenmit Laufzeit zwischen drei und sechs Jahren, die er Sechzigjährigen empfiehlt, nur als Liquiditätsreserve gedacht, um einen möglichen Abschwung am Aktienmarkt abzufedern.

Wie die meisten Vermögensverwalter erwartet Thilenius aber ein weiteres freundliches Aktienjahr. Es sei nicht nötig, in riskante Schwellenländeraktien zu investieren; "vor der Haustür des Anlegers" bieten der deutsche und der amerikanische Aktienmarkt seiner Ansicht nach gute Chancen bei besser zu kalkulierendem Risiko. Thilenius, der oft zu den größten Optimisten zählt, hält einen Dax zum Jahresende 2015 von 11 000 Punkten für wahrscheinlich, das wäre ein . Plus von 12 Prozent. Dem amerikanischen Aktienindex S&P 500 traut Thilenius nach sechs positiven Jahren einen Anstieg auf 2250 Punkte zu, ein weiterer Zuwachs um 8 Prozent. Hinzu könnten für einen in Euro rechnenden Anleger Gewinne mit dem Dollar kommen.

Denn weil die Vereinigten Staaten robust wachsen und die Zinsen dort schneller wieder steigen werden als in Europa, sollte dies Geld nach Amerika locken, den Dollar stärken und auf 1,15 Dollar je Euro aufwerten lassen, erwartet Thilenius. Für ihn ist die Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten durch den Fracking-Ölboom einesder wichtigsten, die Kurse treibenden Themen am Aktienmarkt in den kommenden Jahren. Auch Marco Herrmann von Fiduka hält amerikanische Aktien zumindest langfristig für überlegen. Albrecht, Kitta & Co. schärft dagegen die Branchensicht: "Energieintensive Branchen wiedie Chemie profitieren vom Verfall des Olpreises", stellt Carsten Riehemann fest, fügt aber hinzu: "Die Mineralölkonzerne U11d ihre Dienstleister leiden dagegen darunter."

Auch Hans-Geerg Kuhlmann vonPAM in Hamburg beobachtet das Thema Ölproduktion in Amerika genau. "Erste Anzeichen einer Abschwächung in der Energiebranche in den Vereinigten Staaten sind zu verzeichnen", sagt dieser Vermögensverwalter. Im Moment gehe er noch von einem sich selbst tragenden Wirtschaftsaufschwung in Amerika aus. "Aber gerade in den nachgelagerten Bereichen der ÖI-Ausrüstungsindustrie und der Zulieferbranche dürfte die Kappung der Investitionsbudgets Spuren hinterlassen, sofern der Ölpreis noch weiter sinkt", sagt Kuhlmann. Denn dann lohnen sich viele Investitionen in die Ölförderung nicht mehr. Kuhlmann ist der einzige Vermögensverwalter, der im Vergleich zum Vorjahr seine Aktienquote für den 60 Jahre alten Anleger verringert hat: "In der Vergangenheit hat die Ölindustrie in Amerika als Jobmotor gewirkt. Sollte es zu Personalabbau kommen, ist auch mit einer Eintrübung auf dem wichtigen Häusermarkt und wohl auch im Konsumverhalten zu rechnen", warnt Kuhlmann, Schließlich stehen die amerikanischen Verbraucher für zwei Drittel der Wirtschaftsleistung.

Tatsächlich stocken die Vermögensverwalter zu Lasten der Anleihen nicht nur die Aktienquote auf. Noch häufiger im Vergleich zum Vorjahr wird der Kassenbestand erhöht - ein untrügliches Zeichen dafür, dass viele Vermögensverwalter auch die Risiken am Aktienmarkt wachsen sehen. Albrecht, Kitta & Co., PAM und Artus planen zwar, ihre Aktienbestände im Laufe des'Jahres noch zu erhöhen, wollen aber erst Rückschläge abwarten und behalten das Geld in der Kasse für Aktienkäufe jetzt lieber noch in der Hinterhand. Nur wenige, darunter Jörg Bohn von Artus und Burkhard Wagner von Partners,denken auch daran, ihre Rohstoffinvestments im Laufe des Jahres aufzustocken: "Bei Rohstoffen sollte die derzeitige Öl-Baisse genutzt werden, um Bestände aufzubauen über Indexfonds oder in Form von Aktien", zeigt sich Burkhard Wagner, Vorstand von Partners, noch als einer der Mutigeren.

Die meisten Vermögensverwalter, darunter Hansen & Heinrich aus Berlin und Sand und Schott aus Stuttgart, empfehlen dagegen gerade älteren Anlegern Aktien, die weniger riskant sind und hohe Dividenden versprechen. Sie könnten so als Ersatz für den früher üblichen Zins ertrag aus Anleihen dienen. "Der Preis für die höhere Rendite aus Aktien sind höhere Kursschwankungen, die der Anleger aushalten muss", weist Bohn von Artus aber auf einen wichtigen Unterschied hin. Nahezu alle Vermögensverwalter rechnen für 2015 mit mehr Auf und Ab am Aktienmarkt, Im Jahr 2014 war diese Prognose nicht aufgegangen: Der Dax schwankte nur im Oktober stark und fiel bis auf 8355 Punkte. Im Dezember kletterte der Index dann bis auf 10087 Punkte. Trotz eines hektischen Herbstes war die Schwankungsbreite des Dax mit 17 Prozent in diesem Jahr im Vergleich zu anderen Jahren gering. Das wird 2015 anders, erwarten die meisten Vermögensverwalter.



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